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Mental Load

Mental Load: Elternsein ist ein Fulltimejob

Elternsein ist ein Fulltime-Job. Vor allem Mütter jonglieren täglich mit unzähligen Aufgaben neben ihrem eigentlichen Beruf: Sie kümmern sich um das Essen, die Wäsche, räumen auf, putzen, saugen, organisieren die vielen Termine, kaufen Geburtstagsgeschenke oder machen das Mama-Taxi am Nachmittag. Ende vom Lied: Sie haben vor lauter Familienorga keine Zeit für sich und einen sogenannten Mental Load. Was das genau ist und wie wir uns als Eltern die Arbeit fairer aufteilen können – jetzt im Magazin.

Mental Load: Wie kommen wir raus aus der „Mama-macht-das-schon“-Falle?

„Wir können das Kind gerne noch bekommen, aber du kümmerst dich dann darum!“ oder „Naja, wir haben halt einen Deal: Ich habe mir das Kind gewünscht, er hat mitgemacht und deshalb sorge ich mich nun um 99 Prozent um unseren Sohn!“ – Aussagen, bei denen ich, Doro, mich erst einmal schütteln musste, um klar zu kriegen, dass ich das grad wirklich gehört habe. Momente, in denen ich mich gefragt habe, wo wir bei der Aufklärung rund um das Thema Mental Load eigentlich ansetzen müssen, wenn es auch 2022 immer noch Familienmodelle gibt, in denen die Mutter „mit Ansage“ an den Herd bzw. in die gesamte Familienorganisation gedrängt wird. So nach dem Motto: „Herzlichen Glückwunsch, du wirst Mama! Du hast den goldenen Staubsauger-Award gewonnen. Ab jetzt bist du für die nächsten 18 Jahre lang „Hauptcaretakerin“! Ja, ich weiß: Das sind Extrembeispiele. Dazu habe ich mir auch nicht die andere Seite – die des jeweiligen Partners – angehört, daher mögen sie auch relativ eindimensional sein. Aber sie veranschaulichen eins ziemlich gut: Dass wir noch einen langen Weg vor uns haben, bis wir in der „mentalen“ und „organisatorischen“ Gleichberechtigung in der Familie angekommen sind. Und auch ich, Doro, habe immer wieder einen mentalen Overload. Dabei führe ich eine sehr gleichberechtigte Beziehung. Mein Mann übernimmt super viele Aufgaben, darunter auch das Einkaufen und Kochen, geht zu Elternabenden, schmeißt den Haushalt oder fährt die Kinder durch die Gegend. Dennoch spiele ich in meinem Kopf oft To-Do-Tetris. Das sieht dann gedanklich so aus: „Ich muss noch die Weihnachtsgeschenke für die Kinder organisieren“, „Wann ist der Termin bei der Kinderzahnärztin?“, „In der Kita fehlt die warme Matschhose!“, „Mist, mein Mann hat noch die Krankenkassenkarte der Kinder im Portemonnaie, das müssen wir schnell ändern!“ - 1000 Dinge rauschen bei mir gleichzeitig durch den Kopf. Dazwischen pingt die Whatsapp-Elterngruppe oder ich werde gefragt, ob eins meiner Kinder Zeit hat für ein Spieledate. Für andere Mütter bin ich fast immer die erste Ansprechpartnerin. Es gibt Tage, an denen ich irre organisationsmüde bin. Manchmal überschlagen sich die Gedanken und ich stöhne: „NEIN! Nicht, Mama! PAPA!“ Dabei frage ich mich, ob ich mir den Stress eigentlich selbst mache, in dem ich vieles in meiner Hand lasse anstatt abzugeben oder auch dann zu chillen, wenn mal was krumm läuft und nicht klappt. Zum Beispiel: Matschhose für die Kita vergessen. Aber: Wie geht es dann erst Müttern, die viel weniger Hilfe zuhause haben als ich? Deren Kopf ständig „Game Over“ sagt, weil ihr Level der täglichen To Dos absolut nicht haltbar ist. Ich erlebe Frauen, die extrem k.o. sind. Die keine Kraft mehr für Sport oder auch abendliche Dates haben. Sie sind „gefangen“ in ihrer Rolle, das Familien-Karussell dreht sich und es ist für sie sehr mühsam, dort wieder rauszukommen. Zum Beispiel wegen der jeweiligen Arbeitszeiten, des unausgeglichenen Gehalts oder der eingeschliffenen Rollenmuster. Frauen, die sich wünschen, dass die Care-Arbeit nicht nur auf ihren Schultern lastet. Mamas, die sich mehr Zeit für sich wünschen! Und mehr Gleichberechtigung!

Mental Load: Wann wird aus einer Unzufriedenheit der große Streit?

Nur: Wann kann die Frau nicht mehr? Wann ist sie ihrer Situation überdrüssig? Wann wird aus einer Unzufriedenheit der große Streit? Wann wird der so genannte Mental Load zu groß? Welche Lösungen es gibt – das erklärt uns jetzt Mental Load-Expertin & Speakerin Laura Fröhlich. Laura hat zum Thema nicht nur das erfolgreiche Buch „Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles“ geschrieben – sie klärt auch als Speakerin, auf Instagram und in ihrem Podcast rund um das Thema auf. Laura ist klar, deutlich und hat einfach eingängige Lösungsvorschläge für viele Alltagssituationen, die super umzusetzen sind.


Baby schaut stehend in die Linse

Mental Load-Expertin & Speakerin Laura Fröhlich (© Laura Fröhlich)

Mental Load ist die Überlastung durch das „An-alles-denken-müssen“.

Was wird genau als „Mental Load“ bezeichnet? Und wieso haben ihn so viele Frauen in heterosexuellen Beziehungen?

Es ist die Überlastung durch das „An-alles-denken-müssen“. Welche Termine stehen an, was muss besorgt oder ersetzt werden, wer kümmert sich um Medienerziehung, um neue Matschhosen, um den Kinderarzttermin? Es gibt so viele Dinge zu organisieren, und da sich Mütter eher verantwortlich fühlen, oft länger in Elternzeit gehen und deshalb sehr kompetent in diesen Dingen sind, haben sie eine ewig lange To-do-Liste und alle verlassen sich auf sie. Das ist ein Teufelskreis. In homosexuellen Beziehungen gibt es natürlich auch Stress, und wenn Kinder dazukommen, auch mal eine einseitig starke Belastung. Aber stereotype Rollenbilder sind, zumindest in der Paar-Beziehung, nicht so relevant und eine fair verteilte Familienarbeit ist wahrscheinlicher.

Wo fängt der „Mental Load“ an und wo hört er auf? Was sind Anzeichen, dass ein Elternteil völlig überlastet ist?

Wenn die Verantwortung für die Organisation als belastend empfunden wird, spricht man von Mental Load. Wenn ich zwar verantwortlich bin, mich aber nicht erschöpft fühle, meine Arbeit gesehen und wertgeschätzt wird, liegt keine mentale Belastung vor, würde ich sagen.

„Nach einer Woche Urlaub mit meiner Familie empfinde ich eine Stunde in meinem Büro wie Wellness.“

Was antwortest du, wenn jemand z.B. sagt: „Ach, das bisschen Care-Arbeit - die sollen sich nicht so anstellen! Ich gehe ja auch 40 Stunden plus X die Woche arbeiten…“

Da muss ich lachen, denn sich um Kinder zu kümmern, den Großteil des Haushalts zu machen, an alles denken zu müssen, was die Familienorganisation angeht, und das auch noch am Wochenende und in den Ferien, das ist ein 80 Stunden-Job. Zumal ich mich im beruflichen Kontext auf eines konzentriere: meinen Beruf. Zuhause machen Eltern tausend Dinge gleichzeitig und das ist anstrengend für das Gehirn. Nach einer Woche Urlaub mit meiner Familie empfinde ich eine Stunde in meinem Büro wie Wellness.

Warum „müssen“ wir über Care-Arbeit reden, reden und nochmals reden?

Weil in unserer Gesellschaft der Wert dieser Arbeit nicht erkannt wird. Sowohl berufliche als auch private Care-Arbeit erhält nicht genügend Wertschätzung, dabei basiert eine Gesellschaft auf genau dieser. Wer kümmert sich um Kinder, ältere und kranke Menschen? Wer sorgt für gute Atmosphäre am Arbeitsplatz, hält Gruppen und Vereine zusammen und engagiert sich ehrenamtlich?

„Frauen kümmern sich, Männer verdienen das Geld.“

Was hat die Corona-Pandemie mit dem „neuen“ Mental Load zu tun?

Die Pandemie hat gezeigt, dass wir uns doch noch an stereotypen Rollenbildern orientieren: Frauen kümmern sich, Männer verdienen das Geld. Jede fünfte Mutter hat die Berufstätigkeit reduziert oder aufgegeben, mit allen finanziellen Konsequenzen. Selbst in der Wissenschaft fehlen noch mehr Frauen, weil sie Alte und Kranke versorgt oder sich um Kinder gekümmert haben. Das ist auch ein Problem für unsere Gesellschaft, denn je diverser ein Team, desto besser das Ergebnis. Wenn Frauen fehlen, können wir nur verlieren.

Warum sprechen wir denn jetzt endlich darüber? Was ist anders als in den Jahrzehnten vorher - denn Mental Load wird es ja auch früher schon gegeben haben, oder?

Ja, das Problem ist nicht neu, es hat nur jetzt einen Namen. Es ist leichter, ein Problem zu besprechen, wenn man es definiert. Und das passiert in der Diskussion um Mental Load.

Wie machen wir unseren Mental Load sichtbar, wie erklären wir es unseren Partner*innen, was uns so belastet? Und wie können wir im ersten Schritt Arbeit aufteilen?

Aufgaben aufschreiben und das Gespräch suchen. Das ist recht komplex, ich weiß. Daher habe ich Bücher geschrieben und ein Mentoring-Programm für Eltern gestartet. Denn es ist ein Prozess, dem der Wille vorausgeht, wirklich etwas zu ändern. Aber es ist machbar und lohnt sich, weil wir so zu guten Vorbildern für unsere Kinder werden und unsere Paar-Beziehung eine ganz neue Qualität bekommt, wenn wir uns die Arbeit so aufteilen, wie es sich gut anfühlt. Und das ist natürlich immer sehr subjektiv und von Paar zu Paar verschieden.

Väter haben nicht den Druck, dauernd performen zu müssen.

Wozu rätst du Paaren, die sagen: Ach, bei uns ist es eigentlich total fair aufgeteilt, aber dennoch fühlt es sich hier und da ungerecht an, zum Beispiel wenn es um die Orga der Kita, Schule, Geburtstag und sämtliche Whatsapp-Gruppen geht?

Reden, Aufgaben sichtbar machen, Arbeitspakete bilden, regelmäßig ein Küchenmeeting abhalten und mein Buch “Dein Workbook: Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles” lesen :-)

Unsere Frage zum Schluss: Wie viele Väter hast du mit einem „Mental Load“ kennengelernt? Und worin unterscheidet er sich zu dem der Mütter?

Klar, es gibt auch mental belastete Väter. Man denke nur an alleinerziehende Papas. Was für sie aber leichter ist: Sie haben nicht den Druck, als Vater dauernd performen zu müssen. Gehen sie auf den Spielplatz, zur Kinderärztin oder mit in die Schule, werden sie beklatscht. Sie erhalten Lob und Anerkennung. Frauen erhalten dafür kein Lob, es wird als selbstverständlich angesehen. Viel mehr noch werden sie laufend kritisiert. Und dieser Druck sorgt für viel Mental Load. Vielen lieben Dank für dieses Interview, liebe Laura! Und wenn Sie nun mehr von der Mental Load-Expertin lesen möchten, dann schauen Sie doch einfach auf ihrer Website vorbei.

Die Autorin Kerstin Lüking schildert nun auch ihr Wissen und ihre Erfahrungen - alles rund um das Thema Mental Load.


Baby schaut stehend in die Linse

Kerstin Lüking, Hebamme und Expertin von MutterKutter (© Anne Seliger)

„Warum immer ich?“ – eine Frage, die Hebamme Kerstin Lüking oft gestellt wird

“Warum immer ich?”. Das ist eine Frage, die mir, Kerstin, in vielen Gesprächen mit Müttern immer wieder auffällt. Ich antworte dann: „Ja, warum gerade du? Weil du vielleicht nicht das kommunizierst, was Du gerade brauchst oder fühlst?“ Ich habe in meiner Tätigkeit als Hebamme schon sehr viele Frauen erlebt, die als tickende Zeitbomben durch ihre jeweilige Beziehung gelaufen sind und die Aufgabenverteilung als nicht fair empfunden haben. Ich würde schätzen: Von den über 4000 Müttern, die ich betreut habe, warum rund 2500 nicht glücklich mit dem IST-Zustand. Klar wurde in den vielen Gesprächen, die ich immer wieder geführt habe: Bevor die eigenen Bedürfnisse klar geäußert wurden, haben sie einfach alles runtergeschluckt und/oder einfach nur gemacht, was von ihnen verlangt wurde. Natürlich auch dabei gehofft, dass vielleicht doch einer - in der Regel der Partner - lesen kann, was auf der eigenen Stirn geschrieben steht. Natürlich vor Enttäuschung dicke Tränen bei der besten Freundin geweint, weil „Frau“ sich unverstanden und in die Rolle der Hausfrau und Mutter gedrängt fühlte. So oft habe ich mir die Frage gestellt, warum Kommunikation und ein Handeln auf Augenhöhe in einer Partnerschaft nicht so funktioniert, so wie wir es uns beim Treueschwur der ewigen Liebe, der Eheschließung oder der Entscheidung eines gemeinsamen Zusammenlebens, vorgestellt haben. Warum sind wir Frauen oft nicht in der Lage, die rosarote Brille der Verliebtheit mal durch die realistische Leselupe auszutauschen?

Mental Load? Ich schlage Spielregeln vor, die die Paare miteinander aufstellen.

Wir könnten zum Beispiel Spielregeln aufstellen, die bestimmte Dinge schon einmal von vornherein ausschließen. Es würde einem Ehevertrag gleichen, den ja so viele Schwiegerväter ihren Söhnen anraten, um diesen ein finanzielles Desaster, im Falle einer Scheidung, ersparen zu wollen. Auch Frauen können sich ihre „Spielregeln“ im Vorfeld unterschreiben lassen, da es ganz klar eine gemeinsame Zukunft regelt und Missverständnissen unweigerlich vorbaut. Es sollte von Beginn an klar sein, dass die Tätigkeit einer Frau nicht weniger „wert“ ist, als die eines Mannes. Dass auch eine Frau und Mutter Zeit benötigt, um sich zu regenerieren und damit einen Beitrag für ihre eigene Gesundheit leistet. So oft habe ich Männer erlebt, die mit ihrer “Kumpel-Klicke“ auf Mallorca über das Wochenende zur Rennrad-Tour verabredet waren, während die Mütter mit zwei bis drei Kindern zu Hause geblieben sind. Natürlich alles nur, weil ER sich erholen und mal “raus“musste. Ich spreche das Männern überhaupt nicht ab, sich solche Auszeiten zu genehmigen, aber es sollte beiden Seiten ermöglicht werden und JA, ich spreche hier bewusst von Männern, weil ich in gleichgeschlechtlichen Beziehungen solche Ungleichgewichte selten erlebe. Grundsätzlich sollten beide zu gleichen Teilen an der Hausarbeit und Kindererziehung beteiligt sein. Fühlt sich ein Partner dazu nicht im Stande, weil z.B. die Arbeit zu anstrengend oder sehr zeitintensiv ist, muss über einen finanziellen Ausgleich für die Partnerin nachgedacht werden, den sie nicht selbst erwirtschaften kann, weil sie sich um die Kindererziehung kümmert. Es sollte auch klar sein, dass Frauen nicht die Putzfrauen, Nannys, Köchinnen….per se sind und sie ihre Tätigkeiten nicht über ihre Kräfte hinaus ausübt. Grundsätzlich sollten Frauen aber auch in der Lage sein, besser zu kommunizieren und mit aufrechter Haltung ihre Standpunkte vertreten. Frauen müssen müssen laut(er) werden und kämpfen - auch wenn es anstrengend ist. Es wird irgendwann in den Köpfen der Gesellschaft angekommen sein.