Das Thema Introversion bei Kindern beschäftigt vor allem Eltern. Auf den ersten Blick wirken sie manchmal verschlossen, auf andere Kinder gehen sie nur zögerlich zu und bei großen Menschenmassen nehmen sie lieber Reißaus: Introvertierte Mädchen und Jungen brauchen ihre Zeit, um mit unserer lauten, kommunikationsfreudigen Welt auf ihre Weise zurechtzukommen. Dabei können wir Eltern ihnen sehr gut helfen. Gleichzeitig sollten gerade introvertierte Eltern ihre eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigen. Wir sagen euch, wie ihr das hinkriegt.
Inhaltsverzeichnis
1. Was ist Introversion eigentlich?
2. Die Elternrolle – eine Herausforderung für Introvertierte
3. Introvertierte Kinder
3.1. Zu still in der Schule
3.2. Herausforderung Party
4. Introversion und Selbstbewusstsein
4.1. Hat mein Kind genügend Freunde?
5. Tipps für die Tagesplanung
6. Introvertierte und ihre Geschwister
1. Was ist Introversion eigentlich?
Introversion ist eine angeborene Persönlichkeitseigenschaft, die sich oft schon früh zeigt. Häufig sind introvertierte Menschen zurückhaltend, wirken schüchtern und sind ruhig, das Hauptmerkmal ist aber ein anderes: Introvertierte beziehen ihre Energie aus dem Alleinsein und nicht aus dem Zusammensein mit anderen. Statt im Trubel unterwegs zu sein, bleiben sie lieber zu Hause und brauchen diese Zeit auch dringend, um ihre Batterien wieder aufzuladen.
Introvertierte Kinder spielen lieber alleine als mit vielen anderen und bevorzugen eine leise Umgebung. Dabei fühlen sie sich aber nicht einsam und langweilen sich selten, denn sie denken immer über irgendetwas nach. Sich beharrlich und intensiv mit einem Thema auseinanderzusetzen, das sie interessiert, ist ihre große Stärke. Außerdem sind sie meistens einfühlsam und vorsichtig, denn sie beobachten gerne, was um sie herum passiert, bevor sie selbst aktiv werden.
Natürlich können Introvertierte im Leben genauso erfolgreich sein wie Extrovertierte, sie müssen nur lernen mit ihren Besonderheiten umzugehen.
Gut zu wissen ist auch: Sehr viele Menschen sind sowohl intro- als auch extrovertiert, haben also Anteile beider Ausprägungen. Man nennt das „ambivertiert“. Bei Kindern können außerdem verschiedene Phasen auftreten.
2. Die Elternrolle – eine Herausforderung für Introvertierte
Keine Frage, in unsere Elternrolle müssen wir alle erstmal hineinwachsen. Für introvertierte Elternteile gibt es allerdings ein paar besondere Herausforderungen. Zeit für sich alleine, ist nämlich zumindest in den ersten Lebensjahren des Kindes Mangelware. Wer eine eher introvertierte Persönlichkeit hat, kann sich schnell überfordert fühlen, wenn es plötzlich gar keine Pausen mehr gibt und nie Zeit ist, in Ruhe ein paar Gedanken nachzuhängen.
Schwierig kann es werden, wenn der Nachwuchs eher extrovertiert ist. Extrovertierte Kinder schlafen besonders ungern, denn sie lieben es, in Gesellschaft zu sein und haben Angst, etwas zu verpassen, wenn sie alleine im Bett liegen. Am liebsten wollen diese Kleinen ständig beschäftigt werden, unterwegs sein und ihre Freunde um sich haben – anstrengend für introvertierte Eltern! Je unabhängiger die Kinder aber werden, desto einfacher, denn Schule und Hobbys geben ihnen genügend Gelegenheiten, eigene Kontakte zu pflegen, sodass Mama oder Papa nicht mehr überall dabei sein müssen.
Intro-Eltern tun auf jeden Fall gut daran, sich hin und wieder Inseln für sich selbst zu schaffen. Das kann heißen, Unterstützung von Freunden, Babysittern oder Familienangehörigen in Anspruch zu nehmen, aber auch, die Kinder mal mit einem schönen Film oder Hörbuch abzulenken, damit man nachher wieder die nötige Energie für den Nachwuchs parat hat. Weiterer Vorteil: Introvertierte Eltern können introvertierte Kinder besonders gut unterstützen – schließlich kennen sie sich aus und verstehen manche Reaktionen der Kleinen besser als andere.
3. Introvertierte Kinder
Viele introvertierte Kinder haben es in der Kindergarten- und Schulzeit gar nicht einfach. Sie werden oft missverstanden und zum Beispiel als schüchtern abgestempelt, wenn sie in Wahrheit nur ganz zufrieden die Welt um sich herum beobachten. Außerdem brauchen sie in ihrer Freizeit genügend Ruhe. Wer ihre Bedürfnisse ausreichend berücksichtigt, spart sich unnötigen Stress.
3.1. Zu still in der Schule
Viele introvertierte Kinder sind in der Schule zu still und werden deswegen unterschätzt. Sie hören oft konzentriert zu und denken intensiv nach, sind auch wissbegierig, aber bevor sie sich aktiv an einem Gespräch beteiligen dauert es seine Zeit. Im schnellen Schulalltag ist die häufig nicht vorhanden und bei großen Klassen setzen sich die „lauten“ Kinder einfacher durch.
Manchmal hilft es schon, mit dem Kind zu besprechen, warum es sich so selten meldet und z.B. auszumachen, dass einmal melden pro Schulstunde ein guter Anfang ist. Der Beitrag muss ja nicht immer bis zu Ende durchdacht und fehlerfrei sein – schließlich reden andere auch einfach drauflos. Schriftliche Arbeiten können einen Ausgleich zur mündlichen Beteiligung schaffen. Bei Referaten hilft es, ganz in Ruhe zu Hause mit dem Kind zu üben und ihm zu sagen, wie viele Erwachsene auch erst einmal Rhetorikkurse besuchen, bevor sie richtig überzeugende Reden halten können.
3.2. Herausforderung Party
Kindergeburtstage und Familienfeste mit vielen Leuten sind eine weitere Herausforderung für Introvertierte, auch wenn der große Tag noch so sehr herbeigesehnt wurde. Zur Entspannung können Eltern zwischendurch für ein paar ruhige Minuten sorgen, z.B. indem sie gemeinsam mit dem Kind kurz in der Küche helfen. Sonst sind kleine und große Intros schnell überfordert. Außerdem sollte man immer respektieren, wenn das Kind von entfernteren Verwandten, die es nicht so oft sieht, nicht gleich umarmt oder auf den Schoß genommen werden will.
Wenn es der eigene Geburtstag ist, hat das Kind vielleicht mehr davon, wenn es weniger Gäste einlädt, aber dafür intensiv Zeit mit ihnen verbringen kann.
4. Introversion und Selbstbewusstsein
Weil introvertierte Kinder manchmal schwach und schüchtern wirken, bekommen sie unter Umständen Hilfe, wo sie keine benötigen oder werden für Eigenschaften kritisiert, für die sie gar nichts können. Nach dem Motto „jetzt spiel doch mal mit den anderen“ oder „sei doch nicht so schüchtern“ ist das bestimmt gut gemeint, kann aber trotzdem am Selbstbewusstsein kratzen, denn auch kleine Kinder spüren schon genau, wenn Eltern oder Verwandte scheinbar unzufrieden mit ihnen sind. Auch wenn die Erziehung durchaus einen Einfluss auf die Ausprägung der Introversion haben kann, sollte man nicht versuchen, Introvertierte „umzuerziehen“, sondern das Kind so anerkennen wie es ist. Eine gute Hilfe für die Kleinen sind Kinderbücher, die Themen wie Selbstbewusstsein, Starksein oder Neinsagen thematisieren.
4.1. Hat mein Kind genügend Freunde?
Introvertierte Kinder brauchen nicht sehr viele Freunde, sondern haben lieber 1-2 richtig intensive Freundschaften. Damit diese lange bestehen bleiben, können Eltern ein bisschen helfen und dem Kind regelmäßige Treffen ermöglichen. Denn neue Freundschaften aufzubauen, fällt ihm nicht so leicht. Zusätzlich können Haustiere introvertierten Kindern sehr gute Freunde sein.
5. Tipps für die Tagesplanung
Introvertierte planen gerne – auch schon die Kleinen. Spontane Ausflüge oder Einladungen sind nicht ihr Lieblingsding, besser ist es also, wenn sich das Kind auf den Tag einstellen kann und auch weiß, wann es wieder zu Hause ist.
War der Tag vollgepackt mit Aktivitäten und Begegnungen, ist es abends Zeit für ausreichend Entspannung. Dafür ist ein ruhiger Ort wichtig, z.B. ein Tagesbett oder eine gemütliche Ecke mit Kuscheltieren. Auch unverplante Wochenenden sind immer willkommen, damit die Kleinen Gelegenheit haben, ihre eigenen Ideen umzusetzen.
Und noch ein Tipp: Auf die Frage “wie war es heute“ werden introvertierte Kinder nur selten in aller Ausführlichkeit erzählen. Gebt ihnen die Zeit, dann zu erzählen, wenn sie ihre Gedanken entsprechend geordnet haben!
6. Introvertierte und ihre Geschwister
Wenn ein Kind introvertiert ist und das Geschwisterkind nicht, könnt ihr beiden helfen, indem ihr für Ruhezeiten sorgt, bevor wieder gemeinsam gespielt werden darf. So kommt das introvertierte Kind zur Ruhe und das extrovertierte lernt, sich auch mal mit sich selbst zu beschäftigen.
Beide werden es genießen, hin und wieder Zeit alleine mit den Eltern zu verbringen, z.B. während das andere Kind bei einem Geburtstag eingeladen ist. Die Introvertierten mögen Vorlesen und Malen, Kuscheln und Musik hören oder einfach ohne Störung zu basteln und zu dekorieren. Eine sehr schöne, entspannende Beschäftigung ist auch das Anlegen eines Mini-Zengartens zu Hause. Wie das geht? Erfahrt ihr ein anderes Mal…