Dorothee Dahinden, Mutter und Expertin von MutterKutter (© Anne Seliger)
Oft werden in der Klinik ja – so ging es auch mir und meinen Freundinnen – Stillhütchen "verabreicht". Mein Eindruck damals: Die Mitarbeiterinnen hatten kaum Zeit für eine Stillberatung (kein Vorwurf) und so sollte es einfacher gehen. Tat es bei mir aber nicht. Das Stillhütchen fand ich furchtbar und es war ein langer Weg dahin, es wegzulassen. Wozu rätst du in solchen Fällen? Denn dass ich auch ohne Stillen kann, das hat mir mein Körper gezeigt. Wann sind Stillhütchen sinnvoll?
Naja, ich will hier mal nicht dem Stillhütchen pauschal den schwarzen Peter hinschieben. Ich habe genug Frauen betreut, die es als wahren Segen empfunden haben, es benutzen zu dürfen. Ich verstehe aber, dass du diesen Eindruck von der Klinik hattest. Zeitmangel bei Beratungen sind in den seltensten Fällen zielführend und das Stillhütchen ist schon ein erklärungswürdiges Produkt und sollte nicht einfach wie eine Kamelle aus der Bonbontüte verteilt werden. Es fängt nämlich oft schon damit an, dass in Kliniken nur die Standardgröße ausgegeben wird. Diese ist nun aber nicht für jede Frau und Brustwarze geeignet. Die Natur hat uns nun mal mit verschiedenen Größen und Formen der Brust und ihren dazugehörigen Brustwarzen gesegnet, so dass dort der Blick als allererstes hingehen sollte. Habe ich nämlich die falsche Größe auf den Nachttisch gelegt bekommen, kann das Hütchen bei der Benutzung extrem am Übergang vom Warzenvorhof zur Warze “scheuern“, was wunde Stellen verursacht und den Zustand eher verschlimmert.
Vor dem Gebrauch wird das Hütchen auch etwas aufgezogen und erst dann aufgesetzt. Der Mutter muss erklärt werden, in welche Richtungen eventuell vorhandene Aussparungen des Hütchens zeigen müssen. Dazu gibt es auch noch diverse hygienische Tipps, die die Mutter bei der Benutzung beachten sollte. Nämlich die fachgerechte Reinigung nach jedem Gebrauch.
Welche Stillpositionen gibt es? Welche findest du gut?
Wir brauchen diesbezüglich eigentlich nur noch die Google-Maschinerie anwerfen, die uns abertausende von Bildern ausspuckt, wie die der Fußballer- oder Wiege-Position. Dazu gibt es noch das Stillen im Liegen in Seitenlage, Stillen gegen die Schwerkraft in der Bauch-auf-Bauch-Position und ich kann mir auch mein Baby kopfüber über die Schulter legen, was aber keiner macht. Wir machen ja auch nur ungerne einen Kopfstand beim Trinken! Ich selber mochte immer gerne die Position im Liegen und die Fußballerhaltung. Diese heißt so, weil das Baby wie ein Fußball unter einen Arm “geklemmt“ wird. Die Beinchen liegen dabei nach hinten, zum Rücken der Mutter, gerichtet. Diese Position ist praktisch, da die Stillende immer einen Arm frei hat und somit beim Stillen auch mal ein Butterbrot essen oder ein Buch halten kann.
Brauchen wir überhaupt solche Positionen: Ich erinnere mich noch, dass ich später auch mal mit Baby an der Brust mir ein Glas Wasser geholt habe...
Naja, es ist sicherlich nicht verkehrt, dass wir sie haben. Denn sie geben immerhin eine Orientierung, wie das alles funktionieren kann. Ich erlebe aber auch Mütter, denen das alles total egal ist und die ihre Kinder einfach anlegen und fertig ist es. Jeder nach seiner Vorliebe. Hauptsache Mutter und Kind sind zufrieden.
Andersrum: Wieviel Ruhe brauchen wir am Anfang?
Ganz klar: ganz viel Ruhe. Ich verstehe auch die Frauen, die gleich wieder loslegen wollen, weil sie nun einfach der Typ dafür sind. Dennoch sollte man wenigstens zwei bis drei Wochen immer wieder Pausen einlegen, bevor der Körper sich mit Schmerzen, Fieber und Entzündungen das fordert, was er braucht.
Und ich weiß noch, dass mir damals von einer Hebamme gesagt wurde: Ich habe exakt alle vier Stunden gestillt. Hm. Fand ich doof. Ich esse ja selbst auch, wenn ich Hunger habe. Wie siehst du das? Ich war Team "Stillen nach Bedarf" – und du?
Auf jeden Fall Stillen nach Bedarf. Das kann natürlich anstrengend und besonders dann schwierig sein, wenn Personen von außen immer noch ungefragt ihren Senf dazugeben wollen und die Häufigkeit des Stillens in Frage stellen. Aber die Tatsache, dass Stillen ein “Geschäft“ aus Angebot und Nachfrage ist, hat sich mittlerweile herumgesprochen. Fakt ist auch, dass gerade, wenn am Anfang regelmäßig und häufig gestillt wird, sehr viele Prolaktin-Rezeptoren besetzt werden, die eine lange Stillzeit mit ausreichender Milchbildung ermöglichen.
Woran erkenne ich eine Brustentzündung? Was sollte ich dann tun?
Symptome sind hohes Fieber, Schmerzen, eine auftretende Rötung oder Verhärtungen. Das sind die Hauptmerkmale. Und zwar oft innerhalb kürzester Zeit. Es können noch Gliederschmerzen und Grippesymptome dazukommen. Auf jeden Fall muss die Frau ins Bett und Ruhe halten. Es müssen Entzündungshemmer und Schmerzmittel eingenommen werden. Das Mittel der Wahl ist eigentlich immer Ibuprofen. 1600 mg/Tag dürfen davon eingenommen werden, ohne dass das Medikament in die Muttermilch übergeht. Vielen Frauen helfen kühlende Wickel, z.B. mit Retterspitz, die nach dem Stillen aufgelegt werden können.
Auf jeden Fall sollte die Brust regelmäßig entleert werden. Dabei wird der Unterkiefer des Kindes beim Stillen so positioniert, dass dieser auf die gestaute Stelle zeigt. Es kann auch möglich sein, dass die Milch nicht gut fließt und sich die Brust nur schwer entleeren lässt, was immer eher für eine Entzündung spricht. Im Unterkiefer hat das Baby übrigens die meiste Kraft und kann somit sehr gut diese Stelle entleeren. Sollte das Fieber und die Schmerzen nicht von innerhalb zwei Tagen rückläufig sein, sollte ein Arzt aufgesucht werden. Es muss dann über die Gabe eines Antibiotikums entschieden werden. Denn im schlimmsten Fall bilden sich Abszesse, was extrem unangenehm ist. Die Symptome und die Therapie eines Milchstaus sind übrigens ähnlich.
In Social Media kritisieren Eltern oft, dass die Stillenden im Vordergrund stehen. Kannst du das nachempfinden?
Ja, das kann ich nachempfinden. Wir müssen uns einfach mal abgewöhnen, immer allem unsere Meinung aufzudrücken. Viel besser wäre es, wenn wir mehr hinhören, um die Beweggründe der Eltern, bzw. Mütter zu verstehen, um sie dann zu bestärken und zu sagen: Bitte zweifle nicht an dir, wenn du deine Entscheidung so für dich getroffen hast, ist sie auch gut so. Bleibe dann auch dabei und rechtfertige dich bitte nicht immer. Denn in diesen Modus verfallen viele Mütter und das haben die eigentlich überhaupt nicht nötig.
Kerstin Lüking, Hebamme und Expertin von MutterKutter (© Anne Seliger)