Inhaltsverzeichnis
Die Sache mit der Kinderbetreuung
Das "Warum?"
Gründe weshalb Kinder nicht mehr in die Kita wollen
Woran erkennt man, ob ein Kind sich wohl fühlt oder nicht?
Wie können Eltern darauf reagieren?
Auf Spurensuche: Was steckt dahinter?
1. Die Sache mit der Kinderbetreuung
„Das war ja total super geregelt, dass es damals keine Kinderbetreuung unter drei Jahren gab! Die Kleinen sollen in dem Alter doch auch besser zu Hause bei ihrer Mutter sein!“, schmetterte mir, Doro, neulich erst eine Seniorin entgegen. Natürlich ungefragt. Völlig unreflektiert. Noch besser: Diese Frau hat gar keine Kinder! „HAHA! WIE LUSTIG!“ – vielleicht kennen Sie das als Eltern auch: Manchmal landen wir in so derart absurden Situationen mit unseren Mitmenschen, dass wir gar nicht wissen, wie wir jetzt am besten reagieren sollen. Einfach nur lachen? Mal direkt mit einem "Sorry, – „F*** you!“ aus der Hose springen, die Kids einsammeln und wegrennen? Oder einfach nur süffisant lächeln und anbieten, dass das Gegenüber ja gerne die Betreuung montags bis freitags übernehmen könne – natürlich kostenlos, denn schließlich werden wir Mütter und Väter ja auch nicht für unsere Care-Arbeit bezahlt? ROARRR!
Ehrlich: Ich war innerlich sauer. Und, ja, ich hätte gerne die diplomatische „Frau Dahinden“ zur Hintertür rausgeschickt und die verbal undiplomatische Doro zur Haustür reingeholt. Aber nein! OMMMM! Was bringt es? Richtig: nichts!
Mein Harmoniebedürfnis hatte – zum Glück – gewonnen und ich habe dann ungefähr so geantwortet: „Ah, super Idee! Vor allem nach zwei Jahren Corona-Pandemie, in der wir es geschafft haben, uns in Sachen Aufgabenverteilung zurück in die Steinzeit zu katapultieren. Frau an den Herd und so! Und mal im Ernst: Ich arbeite nicht nur super gerne. Ich muss auch arbeiten. Und wie hätte ich es denn sonst machen sollen, wenn die Verwandtschaft nicht ums Eck wohnt!? Sorry, aber das hätte bei uns nicht funktioniert.“ – UFF! Danach war ich ein bisschen stolz. Und innerlich tatsächlich auch ein bisschen angepiekst! Warum? Weil bei uns gerade das Thema „Ich will nicht in die Kita!“ hoch im Kurs stand. Regelmäßig hat mir der Ausruf morgens Schweißperlen auf die Stirn getrieben und für einen höheren Blutdruck gesorgt. Denn meistens kam er dann, wenn ich sowieso schon das Gefühl hatte, dass ich einen Wettlauf – TICK – gegen die Zeit – TACK – mache! Die „Kita-ist-doof“-Formel war so: Je höher meine innere Anspannung morgens, desto wahrscheinlicher war es, dass mein Kind nicht hin wollte. Großartig.
Das "Warum"?
Ich wusste, dass es dort super aufgehoben ist, tolle Erzieher*innen und Freund*innen hat. Nicht zuletzt auch, weil ich nachmittags fast immer ein glückliches Kind im Arm halten durfte. Und dennoch machte mir mein Kind klar, dass da irgendein Stressor im Raum war! Ich habe mich gefragt, wie wir es besser machen können. Was hilft meinem Kind? Die Antwort bei uns: Druck rausnehmen, 20-30 Minuten morgens mehr einplanen und immer, wenn es geht, die Kita-Zeiten verkürzen. Dazu stand ich die ganze Zeit im engen Austausch mit den Erzieher*innen – ich wusste (und weiß bis heute) immer Bescheid, wie es meinem Kind geht. Nach und nach habe ich verstanden, dass die Situation in der Kita – Kohortenbildung, ständiger Ausfall der Betreuung durch Corona – viel zu diesem Unwohlsein am Morgen beigetragen hat. Ich bin dankbar dafür, dass mein Kind mich lautstark darauf hingewiesen hat, dass es gestresst ist. Ich denke: Wir sollten als Eltern immer Hinhören, verstehen und der Situation entsprechend auch reagieren. Wir haben unsere Bestseller-Autorin, artgerecht-Unternehmerin und Influencerin Nicola Schmidt gefragt, ob sie aus ihrer bedürfnisorientierten Sicht noch etwas zum Thema sagen kann. Wir freuen uns, dass sie mit ihrem wertvollen Input an Bord gekommen ist.
Nicola Schmidt, Influencerin und Beststeller-Autorin (© Diptica.com)
Liebe Nicola, warum sagen unsere Kinder "Ich will nicht in die Kita!" und weinen im Zweifel sogar... Was sind deiner Erfahrung nach Gründe dafür, dass unsere Kids nicht (mehr) in die Kita wollen?
Das kann verschiedene Ursachen haben. Wir dürfen nie vergessen, dass Betreuung immer Stress für das Kind ist. Es kann positiver, anregender, lebendiger Stress sein, aber es bleibt halt Stress. Es gibt also immer Tage, an denen ihnen das zu viel ist und sie – wie wir Großen ja auch – lieber gemütlich zu Hause bleiben möchten. Wenn sie weinen, kann das mehrere Ursachen haben: Manche Kinder wollen einfach in diesem einen Moment nicht vom Arm ihrer Bezugsperson weg, was ja völlig verständlich ist. Aber sobald sie auf dem Arm einer anderen Bezugsperson angekommen sind, beruhigen sie sich sofort und finden ins Spiel.
Wenn sie allerdings immer und immer wieder weinen und länger als fünf Minuten brauchen oder gar nicht richtig ins Spiel kommen, dann müssen wir hinschauen: Ist das Kind nicht richtig eingewöhnt und hat an stressigen Tagen doch niemanden, dem es vertraut? Brütet es eine Krankheit aus? Braucht es mehr Ruhe-Inseln am Tag?
Und andersrum: Woran erkennen wir, dass es unserem Kind in der Kita gut bzw. nicht gut geht?
Einem Kind geht es gut, wenn es gerne in die Kita geht, sich gut abgeben lässt, dort gut isst und spielt, wenn es zu Hause gut schläft und insgesamt ausgeglichen ist.
Wie sollten wir Eltern reagieren, wenn wir merken, dass unser Kind gestresst ist oder es sogar ein tiefergehendes Problem gibt? Welche Schritte können wir gehen?
Der erste Schritt ist immer das Gespräch mit dem Fachpersonal, bei dem wir erklären, was wir sehen und dann fragen: „Wie erlebt ihr das Kind? Was würdet ihr vorschlagen?“ Der Austausch ist unheimlich wichtig. Oft finden wir dann heraus, ob das Kind doch nochmal eine Eingewöhnung braucht, mehr Ruhe benötigt, weniger Betreuungszeiten oder einfach mehr Anbindung an die Fachkräfte.
Kerstin Lüking, Hebamme und Expertin von MutterKutter (© Anne Seliger)
Auch ich, Kerstin, kenne diese Situationen, in denen man sich am Morgen in einem Wechselbad der Gefühle wiederfindet. Ich erinnere mich bis heute noch sehr genau an eine Situation, die ich mit meiner ältesten Tochter erlebt habe. Ich stand damals unter Druck. Ich musste und wollte damals mein Examen als Hebamme in der Tasche haben, dazu musste meine Tochter aber regelmäßig und auch eine lange Zeit des Tages in die Kita gehen. Lea stand jeden Morgen tränenüberströmt an der Fensterscheibe, um mir nachzuschauen, wenn ich meinen Gang zur S-Bahn antrat. In dieser überkam es mich regelmäßig! Denn auch dort liefen nun mir Tränen über das Gesicht und ständig stellte ich mich in meiner Rolle als Mutter selbst in Frage: Bin ich schlecht, wenn ich mein Kind abgebe?
Rückblickend kann ich heute selbstbewusst sagen: Nein, ich bin bis heute keine schlechte Mutter gewesen. Nie! Durch meinen Beruf konnte ich meine Kinder ernähren, sie einkleiden und mit ihnen in den Urlaub fahren. Und alle Anschuldigungen, die ich in den letzten 27 Jahren als Mutter erleben musste, würde ich heute galant verbal an mir abprallen lassen. Wie oft musste auch ich mir die Sprüche anhören: „Du bist doch keine Mutter geworden, um deine Kinder fremd betreuen zu lassen! So etwas würde es bei mir nicht geben!!!“ Ganz ehrlich, ich bereue es in keiner Minute, meine Kinder relativ früh im Kindergarten angemeldet zu haben. Mein eigenes „Dorf“ bestand damals nur aus meiner Mutter, die selbst noch berufstätig war und mich nicht ständig unterstützen konnte. Mit durchschnittlich acht Monaten habe ich meine Kinder in der Krippe abgegeben und sie einen gewissen Anteil des Tages von Frauen betreuen lassen, die in der Regel mit Herzblut bei den Kindern waren.
Ich erinnere mich an Erzieherinnen, die mit Küsschen und Umarmungen meiner Kinder begrüßt wurden. Ich hatte deswegen keine schlechten Gefühle, da es für mich immer ein Zeichen von Vertrauen und Wohlbefinden meiner Kinder war. Ich wurde genauso stürmisch und liebevoll begrüßt, wenn ich nachmittags zur Tür hereinkam. Ich habe gesehen, mit wie viel Liebe die Erzieherinnen sich um alle Kinder gekümmert haben. Morgens Lieder mit der Gitarre anzustimmen, wäre mir als Mutter nie in den Sinn gekommen, mal abgesehen davon, dass ich überhaupt keine Gitarre spiele! Ich habe gesehen, dass sich meine Kinder sehr viel schneller motorisch, sprachlich und zudem auch in der Sozialkompetenz entwickelt haben, was ich immer als großen Vorteil zu Gleichaltrigen gesehen habe, die in den ersten Jahren zu Hause betreut wurden. Ich will damit keiner Mutter und keinem Vater die Kompetenz absprechen, wenn sie ihre Kinder zu Hause betreuen – ich möchte einfach nur Mut machen, gewisse Zweifel einfach mal ad acta zu legen und sich freizumachen von allen auferlegten „Verhaltensregeln von guten Müttern“.
Wenn wir heute den Anspruch an eine fortschrittliche Gesellschaft haben, gehört es dazu, dass wir Müttern gewisse Freiräume lassen, sie in dem Punkt stärken, dass eigenes Geld wichtig ist und sie unterstützen, wenn sie in der Kinderbetreuung entlastet werden müssen, damit das Nervenkostüm nicht dünnhäutig wird und die eigene Gesundheit darunter leidet.
Auf Spurensuche: Was steckt dahinter?
Ich plädiere aber auch genauso dafür, die Zwischentöne unserer Kinder ernst zu nehmen. Wenn sich mein Kind partout mit Händen und Füßen wehrt, die Tür zu durchschreiten, muss ich hinterfragen, was der Grund dafür sein könnte. Auch das habe ich bei einem meiner Kinder erlebt. Herausgefunden hatte ich es dadurch, dass ich einen meiner Söhne früher als gewöhnlich abgeholt hatte. Schon von Weitem kam mir die Kinderstimme bekannt vor, die verzweifelt weinend auf dem Flur zu hören war. Es war mein Kind, das von der Erzieherin ausgegrenzt wurde. Mein Sohn war ihr einfach auf ihre „alten Tage“ zu anstrengend gewesen, was ein grundsätzliches Problem dieser Frau war und nichts mit meinem Kind zu tun hatte. Die Lösung war ein sofortiger Wechsel in eine andere Kita, was sich als totaler Glücksfall entpuppte.
Es gab am Morgen keine Tränen mehr. Mein Sohn wirkte plötzlich erleichtert und unbeschwert. Natürlich ist das nicht immer einfach, sofort einen Ersatz-Kindergarten zu finden, dennoch lohnt es sich, am Ball zu bleiben. Denn eigentlich wollen wir Eltern nur eins, nämlich dass unsere Kinder unbeschwert und mit viel Liebe heranwachsen dürfen.
Worte, die auch Nicola Schmidt unterstreicht. Sie sagt, Zitat: „Wenn es dem Kind in der Betreuung nicht gut geht, ist das keine Lappalie. Wir müssen dann gemeinsam mit dem Personal überlegen was wir tun können und bei unüberbrückbaren Differenzen oder unveränderlichen Rahmenbedingungen auch in Betracht ziehen, die Kita zu wechseln. Die Zeit in der Betreuung prägt unsere Kinder ja sehr, es ist ein großer Teil ihrer Kindheit, und es lohnt sich, hier Zeit und Energie zu investieren.“ Nicola greift in ihren Büchern "Der Elternkompass" und „artgerecht – das andere Kleinkinderbuch“ übrigens auch das wichtige Kita-Thema auf. Und wer ganz nah an Nicola dran sein will, der folgt ihr am Besten auf Instagram oder Facebook. Lieben Dank dir, liebe Nicola!